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Von Schnallen, Fallen, Drückern und Klinken

ein Klärungsversuch

Karneval, Fasnet oder Fasching – nennen Sie es, wie Sie wollen – ist noch nicht so lange her. Und wenn eines zu dieser feuchtfröhlichen Zeit gehört, dann dieses wunderbare Hefeteigteilchen. In heißem Fett gebacken, mit Marmelade gefüllt und in Zucker gewälzt. Sie wissen schon: Berliner. Nein, Pfannkuchen. Oder doch Krapfen? „Kreppel!“, schreien jetzt die Mainzer.
Uns bei Replicata geht es ja auch oft wie den Bäckern in der fünften Jahreszeit: Auch wir verkaufen ein und dasselbe Produkt unter den verschiedensten Namen. Sie ahnen es vermutlich, die Rede ist natürlich von Türdrückern bzw. -klinken, die sich wie durch Zauberhand auf dem Versandweg nach Österreich in Schnallen verwandeln und von unseren Kunden in der Schweiz als Fallen in Empfang genommen werden.

Aber woher kommen eigentliche diese unterschiedlichen Bezeichnungen?

Und was haben eine Schnalle und eine Falle mit dem Öffnen und Schließen einer Tür zu tun. Denkt man da nicht eher an Gürtelschnallen und Bärenfallen? An das geschwätzige Schreckgespenst aus der Buchhaltung und Trapper mit Waschbärmützen?

Genau diesen Fragen wollen wir hier nachgehen. Neben anderen Nachschlagewerken stand uns das Deutsche Wörterbuch der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm treu zur Seite und lieferte so manche überraschende Entdeckung. (Unter anderem, dass die beiden von Groß- und Kleinschreibung rein gar nichts hielten.)

Mit dem Drücker drücken

Beginnen wir mit dem Türdrücker, denn das scheint am einfachsten. Der heißt natürlich so, weil man mit ihm genau das macht, was er im Namen trägt: Den Drücker drücken – und offen ist die Tür.

Mit der Falle ins Schloss fallen

Nach demselben Prinzip erfolgte wohl die Benennung der Falle in der Schweiz. Zum einen bezeichnet das Verb „fallen“ im Schweizerischen Idiotikon ganz explizit die – ja, geradezu exzessive – Betätigung eines Türdrückers: „wiederholt an der Türklinke drücken, mit derselben spielen.“ (An die Leserinnen und Leser aus der Schweiz unter Ihnen: Ist das noch gebräuchlich? Schimpft man kleine Kinder, die an Türklinken herumspielen mit: „Hör jetzt endlich auf, an der Falle rumzufallen!“?)
Zum anderen kann man ja mit ein bisschen Schwung eine Tür ganz wunderbar ins Schloss fallen lassen. Zugegebenermaßen muss man sich dafür aber gar nicht an der Falle zu schaffen machen. Aber immerhin schnappt die Tür dann buchstäblich wie eine Falle zu. Ganz so abwegig scheint dieser Gedanke übrigens nicht, bedenkt man, dass man auch hierzulande mit dem Begriff „Falle“ den kleinen Schnappriegel, der durch die Klinke betätigt wird und die Tür im Schloss hält, bezeichnet.

Mit der Klinke geräuschvoll klinken

Durch eine ähnliche Wanderschaft des Terminus vom Inneren des Schlosses nach Außen kam auch die Türklinke zu ihrem Namen: Ursprünglich bezeichnete man mit „Klinke“ eben diesen erwähnten Schnappriegel. Ihr Pendant fand diese „Klinke“ in dem sogenannten „Klinkhaken“, in den die Klinke einhakte, wenn man die Tür schloss.
Aber wieso hat man diesen Riegel denn gerade „Klinke“ genannt? Na, weil der eben klingt, wie er klingt, wenn er ins Schloss klinkt. So erklären das zumindest die Gebrüder Grimm: „das wesen eines guten riegels ist scharfer verschlusz, und das verrät sich in seinem einschnappen, ‚einschlagen‘ mit einem gewissen scharfen klange; […] so kann wohl auch ‚klinke‘ herstammen von dem klange den sie in ihrem dienste gibt.“

Und die Schnalle???

Das bringt uns schließlich direkt und ohne Umschweife zur österreichischen Schnalle, die sich weniger von der Schnalle am Gürtel herleitet, als von dem Verb „schnallen“. Die Schnalle heißt also Schnalle, weil sie schnallt? Genauso wie der Drücker, weil er drückt, die Falle, weil sie fällt und die Klinke, weil sie klinkt? Ja, ganz genau, irgendwie schon.
Laut Gebrüdern Grimm leitet sich „schnallen“ u.a. von den Verben „schnellen“ und „schnalzen“ ab. „Schnellen“ meint dabei “mit wuchtigem stosze, schwunge bewegen, schleudern, stoszen“, womit wir ja wieder wie im Fall der Falle bei der Unart des Türenknallens wären.
Zu „schnalzen“ finden sich hingegen die Erläuterungen: „mit den fingern schnalzen“ und „mit der an den gaumen gedrückten und schnell zurückgezogenen zunge einen hellen laut hervorbringen, welcher mit dem knalle einer peitsche ähnlichkeit hat“. „Schnalle“ rührt also von dem knallend schallenden Geräusch her, das sich beim schwungvollen Zuziehen einer Tür ergibt. Macht Sinn, wären wir von alleine aber auch nicht drauf gekommen.

Schließen mit Charakter…

An dieser Stelle wäre nun natürlich ein Exkurs über die historischen, national und regional verschiedenen Gewohnheiten des Türschließens und deren mögliche Einflüsse auf den jeweiligen Terminus äußert spannend. Denn darf man vielleicht aus der schweizerischen Falle und der österreichischen Schnalle herauslesen, dass dort eine schwungvollere, ja theatralischere Art und Weise des Türschließens vorherrschte? Ein ordentliches Knallen beim Eintritt in ein Zimmer, einem Paukenschlag gleich, um der eigenen Präsenz den nötigen würdevollen Nachdruck zu verleihen?
Dass und wie das funktioniert, demonstrierte bereits Clawdia Chauchat, die Femme Fatale auf Thomas Manns Zauberberg. (Gut, die war Russin, aber der Ort des Geschehens war immerhin die Schweiz.) Und wer hat wohl an Madame Chauchats notorischem Türenschlagen – wohlgemerkt nicht ohne eine gewisse Faszination – den größten Anstoß genommen? Genau, Hans Castorp. Der Allerweltsbürger des Deutschen Kaiserreiches, für den das Zuschlagen einer Tür nichts weniger als Ausdruck eines unverschämten Charakters bedeutete, ja gewissermaßen einer schwerwiegenden moralischen Verfehlung gleichkam.
Darf man also den vorsichtigen Schluss wagen, im sorgsamen Schließen einer Tür, in einem verhalten sachten Drücken und leisen Klinken, wie es ein solcher Hans Castorp als einzig anständige Möglichkeit im Umgang mit Türen fordert, den Niederschlag echt preußischer Tugendhaftigkeit zu vermuten?

Der letzte Drücker

Herzlich wenig mit preußischen Tugenden, insbesondere der berühmten Pünktlichkeit, hat jedoch die Redewendung „auf den letzten Drücker“ zu tun. Denn wenn man etwas „auf den letzten Drücker“ erledigt, bedeutet das ja, dass man etwas kurz vor knapp zu Ende bringt oder gerade so noch schafft. Und der Drücker in besagter Redewendung meint tatsächlich auch einen Türdrücker, genauer: den „Türgriff des letzten Wagens eines abfahrenden Zuges“, so zumindest der Duden. Heute haben die Züge im allgemeinen eher elektronisch grün leuchtende Knöpfe an den Türen, die man zugegebenermaßen zwar auch drücken muss. Denkt man aber an Waggons älteren Jahrgangs, wie man sie noch häufig im Nahverkehr findet, – ja genau, diese Modelle mit den plüschig federnden Sitzen, den Doppeltüren und diesen schrecklichen Türgriffen, die man nur auf bekommt, wenn man schon seit Jahrzehnten ein regelmäßiges Bizepstraining absolviert – wird klar, was gemeint ist.
Zur Veranschaulichung ein kleines Kopfkino: Man erreicht viel zu spät den Bahnhof, der Zug steht schon am Gleis, wird in den nächsten Sekunden auch gleich abfahren, die Türen sind schon geschlossen, ein leichter Anflug von Panik, also legt man einen Olympia würdigen Sprint hin, um gerade noch so die Tür des letzten Waggons zu erreichen, hebelt dieses Ungetüm von einem Türdrücker mit herkulischer Stärke auf und hat es geschafft – buchstäblich „auf den letzten Drücker“.
Für so einen echten Preußen dürfte das aber wenig von Belang sein. Dem steht ein Pferd doch eh viel besser zu Gesicht.

31. Januar 2018

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